Zuletzt geändert am 3. Dezember 2020 von Christina Brandstätter
Das Beckenboden-Training ist, wenn man es mal drauf hat, einfach, unkompliziert, nachhaltig und effektiv. Warum aber sollte man seinen Beckenboden trainieren, wenn’s doch auch so ganz gut klappt? Damit diese Frage erst gar keine Chance hat, beginnen wir doch gleich mit den Dingen, die der Beckenboden für dich tut.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Wozu er gut ist – Funktionen & Aufgabe
- 2 Beckenboden-Training – Eine starke Mitte schützt vor Verletzungen
Wozu er gut ist – Funktionen & Aufgabe
Im Wesentlichen lassen sich die Aufgaben und Funktionen des Beckenbodens mit den ersten 3 Punkten gut zu den Hauptfunktionen zusammenfassen:
- Tragefunktion (Anspannen) – Sicherung der Lage von Bauch- und Beckenorgangen (kleines Becken)
- Kontrollfunktion (Entspannen) – aktive sowie passive Kontrolle sämtlicher Körperöffnungen (Vagina, Anus, Urethra) unterhalb des Bauchnabels (Sphinkterfunktion)
- Reflektorisches Gegenhalten (innerlicher Druckausgleich: Niesen, Husten, Springen, Lachen,…)
- Mithilfe als orgiastische Manschette
- Statik (aufrechte bzw. bessere Haltung)
3 Wörter und du bist wahrscheinlich nicht viel schlauer als vorher? Kein Problem. In der Praxis tut dein Beckenboden täglich folgendes für dich:
- Festhalten & Verschließen: Beckenboden spannt sich an, um Urin zu halten (in der Fachsprache: Kontinenz sichern)
- Öffnen & Loslassen: Er entspannt sich beim Wasserlassen, beim Stuhlgang und beim Geschlechtsverkehr
- Beim Tragen schwerer Lasten, Hüpfen, Husten, Niesen oder Lachen muss er einen erheblichen Gegendruck aufbauen, damit du nicht undicht wirst
- Er trägt und hält, neben den Faszien, u.a. Magen, Darm, Leber, Gallenblase, Milz, Bauchspeicheldrüse,… an Ort und Stelle, stützt und schützt sie
- Ein gestärkter Beckenboden sorgt für ein gesteigertes Lustgefühl beim Sex (na wenn das nicht Grund genug ist, sofort mit dem Training zu beginnen)
- Er steuert die Bewegungen des Beckens und der Beine
- Er hält die Lendenwirbelsäule gesund
- Er ist die Grundlage für einen knackigen Po, einen flachen Bauch und schöne, gerade Beine
- Er hält den Nervus pudendus (Schamnerv) geschmeidig und leitfähig – der Nervus pudendus spielt eine Rolle bei der stabilen Lage der Beckeneingeweide, bei der Bauchpresse, der Kontinenz sowie bei der Sexualfunktion
Also wenn das nicht mehr als überzeugende Argumente sind, deinem Beckenboden 1. mehr Aufmerksamkeit zu schenken und 2. ein bisschen was für ihn zu tun. Los geht’s…
Beckenboden-Training – Eine starke Mitte schützt vor Verletzungen
Beckenboden-Training ist ein Muss für Frauen in jeder Lebenslage (ganz speziell aber nach einer Geburt). Und für Männer. Für Alle. Und am besten, bevor überhaupt eine Beckenbodenschwäche auftritt.
Wie wir bereits wissen, ist der Beckenboden ein Muskelgebilde. Muskeln können trainiert werden. In jedem Lebensalter. In (fast) jeder Situation (außer dein Arzt sagt etwas anderes). Zu jeder Zeit. Unbemerkt und effektiv.
Spätestens wenn es heißt „Aktiviere deinen Beckenboden“ sind die Fragezeichen in den Augen oft groß.
Um den Beckenboden „richtig“, also effizient und zielgerichtet, trainieren zu können, bedarf es ein wenig Übung, Achtsamkeit und Wissen. Wissen um die verschiedenen Schichten und wie wir diese aktivieren.
Zu Beginn des Trainings besteht die Schwierigkeit genau hier. Die Muskulatur des Beckenbodens wahrzunehmen und gezielt anzusteuern. Somit ist das gleich der erste Teil des Trainings.
Ohne Disziplin geht nichts.
Auch wenn’s nicht gleich klappt, gib nicht auf. Dranbleiben und Durchhalten sind hier – wie generell im Training – die Schlüsselwörter. Wenn du dann irgendwann deinen Beckenboden gezielt aktivieren und anspannen kannst, ist’s Zeit zum Verändern / Steigern:
- In verschiedenen Positionen – im Liegen, Bauchlage, Rückenlage
- im Gehen – erstmal in den 4 Wänden ausprobieren
- in verschiedensten Alltagssituationen (beim Einkaufen, beim Spazierengehen, bei der Hausarbeit,…)
- während dem Krafttraining
Der Beckenboden ist dein ständiger Begleiter, ob du willst oder nicht. Doch es macht einen großen Unterschied, ob du ihn bewusst wahrnimmst, aktivierst, trainierst und im Alltag „einsetzt“ oder eben nicht. Der Beckenboden will täglich trainiert werden. In jeglichen Situationen und Lebenslagen. Bis quasi der Autopilot übernimmt. Das heißt: Anspannen, wenn es nötig ist. Entspannen, wenn Entspannung angesagt ist. Ohne Nachdenken. Ohne Anstrengung.
Aller Anfang ist schwer…
Um dir genau diesen Anfang etwas zu erleichtern, kannst du dich an diesen „roten Faden“ halten
1. Wahrnehmung
Konzentriere dich auf deinen Beckenboden. Das Becken mit den 4 Grenzpunkten und dem darin aufgebauten Netzwerk (Muskeln).
- Wahrnehmungsübung #1: Stell dir vor, du sitzt gerade am stillen Örtchen und lässt gemütlich laufen. Plötzlich musst du deinen Urinstrahl unterbrechen. Darf ich vorstellen – dein Beckenboden.
- Wahrnehmungsübung #2: Pupsen in der Öffentlichkeit? Geht gar nicht! Weil es nach wie vor ein Tabu-Thema ist. Doch genau das machen wir täglich. Jeder von uns. Im Schnitt 20x. Perfekt fürs Beckenboden-Training. Denn genau dieses „Oh Gott, jetzt bloß keinen fahren lassen“ und die Anstrengung, die wir unternehmen, damit genau das nicht passiert, aktiviert den hinteren Teil der Acht.
Beachte! Das Anhalten des Urinstrahls und das Zurückhalten eins Pups dient nicht als Übung! Nur zur Wahrnehmung und zur allgemeinen Vorstellung deines Beckenbodens.
2. Isoliertes Training
- Alle Körperöffnungen unterhalb des Bauchnabels schließen
- Sitzbeinhöcker zueinander ziehen (Gummiband)
- Steißbein Richtung Schambein (Gummiband)
- Lift fahren – alles nach oben ziehen Richtung Rippen
Spannung halten und weiteratmen
Wie lange kannst du die Spannung halten? Mit regelmäßigem Training wirst du irgendwann wirst du in der Lage sein, diese über eine Minute und länger halten zu können
3. Bewusstes Anspannen und bewusstes Entspannen
- Einatmen – Entspannen
- Ausatmen – Anspannen
Versuche gleichmäßig und ruhig zu atmen
Oberschenkel und Po (vor allem der Po) bleiben völlig entspannt – gilt auch für das isolierte Training
Diesen Vorgang kannst du ruhig 20-30x wiederholen, 1-3x am Tag
4. Übungsempfehlungen / Aktivierung – kein muss, aber hilfreich
5. DAS ist der entscheidende und wichtigste Schritt – Durchhalten!
6. Last but not least
Und das kommt bitte erst, nachdem du Schritt 1-5 (mit oder ohne 4) im Schlaf beherrschst– zusätzlich ins normale Krafttraining einbauen
Mein (Buch)Tipp: Tiger Feeling von Benita Cantieni
In dem Buch findet ihr weitere tolle Beschreibungen, Fallbeispiele, Infos und gaaaanz viele weitere Übungen.
Das etwas spezieller Training für Frauen
Liebeskugeln. Ja, du hast richtig gelesen.
Beckenbodenpower durch Liebeskugeln
Liebeskugeln haben (hatten) den Ruf, uns Frauen verrückt zu machen und uns allein durchs Tragen zum Orgasmus zu bringen. Schön wärs…
Viel mehr können wir sie Zweckentfremden und zum Trainingsgerät umfunktionieren. Als Trainingsgerät machen sie nämlich einen echt tollen Job.
Vaginalkugeln, Lustkugeln, Geisha Balls, Loveballs, Ri-no-tama
Rin-no-tama (Liebeskugeln) stammen ursprünglich aus Japan. Rin-no-tama oder Ben-wa sollten Frauen nach der Geburt schnellstmöglich wieder „einsatzbereit“ machen.
Das Prinzip: 2 größere Hohlkugeln beinhalten jeweils eine weitere, schwerere (Stahl)Kugel im inneren, welche durch Bewegung für Vibrationen sorgen. Durch diesen Aufbau entstehen bei Bewegung Schwingungen, welche die Beckenbodenmuskeln trainieren. Die Kugeln sind miteinander verbunden und können über ein Rückholband ganz einfach wieder entfernt werden.
Der Gynäkologe Dr. Arnold Kegel fand in den 40er Jahren während einer Forschungsreise durch Südafrika heraus, dass dortige Frauen nach der Geburt gezielt ihren Beckenboden trainierten, indem sie sich Nüssen einführten. Durch weitere Beobachtungen kam er zu dem Ergebnis, dass auch ein Zusammenhang zwischen gezieltem Beckenbodentraining und Vermeidung von Inkontinenz besteht. Daran wird bis heute festgehalten.
Vorteile von Liebeskugeln
- Das TOP-Argument: Einfaches, schnelles und „passives“-Training (also kein Aufwand)
- Erhöhte Empfindsamkeit beim Liebesspiel
- Intensivere Orgasmen
- Verringerung / Vorbeugung von Rückenschmerzen
- Präventiv gegen Inkontinenz und Blasenschwäche (oder deutliche Verbesserung, solltest du schon daran leiden)
Beachte: nicht immer ist der Einsatz von Liebeskugeln von Vorteil. Bei z.B. einer Gebärmutter- oder Blasenabsenkung kann das kontraproduktiv sein. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, check das vorher mit deinem Gynäkologen ab.
Sextoy als Intim-Workout
Die kleinen Helferlein gibt’s in unterschiedlichen Größen, Farben, Formen, Materialen und Ausführungen. Gerade zu Beginn deines Trainings können sie dir helfen, deinen Beckenboden erst mal wahrzunehmen. Um die Kugeln nämlich während dem Gehen oder Stehen nicht zu verlieren, musst du deine Beckenboden-Muskeln anspannen (Reinigen und richtige Größenwahl versteht sich von selbst).
Glaubst du nicht? Na dann hol dir mal einen Tennisball oder was ähnliches. Jetzt ballst du deine Hand zu einer Faust. Danach wiederholst du das ganze mit dem Ball. Und? Was konntest du festestellen? Im Idealfall merkst du, dass deine Handmuskeln viel intensiver mit dem Ball arbeiten. Ganz gleich verhält es sich mit deiner Beckenbodenmuskulatur.
Du musst mit den Kugeln keinen Sport machen, um zu trainieren. Haushalt, Spaziergang, tägliche Erledigungen,… sobald du dich bewegst, trainierst du. Ist das nicht wundervoll?
Später, wenn der Beckenboden erkundet und fitter ist, geht’s ans Eingemachte. Gezielte Beckenboden-Übungen mit dem zweckentfremdeten Trainingsgerät.
Taste dich erst mal langsam an das Ganze heran. 10-15 Minuten täglich wären super. Danach raus mit den kleinen Helferlein, reinigen, desinfizieren und für den nächsten Tag griffbereit verstauen. Du solltest mit Kugeln beginnen, welche ohne großartige Anstrengung oder gar Schmerzen während alltäglichen Bewegungen (Gehen, Stehen) gehalten werden können.
Übertreibe es bitte nicht, auch hier kann sich Muskelkater einstellen. Nach der „Eingewöhnungsphase“ von ca. 3-4 Monaten, kannst du das Intim-Workout ruhig 2-3 / Woche für jeweils 30 Minuten bis zu mehreren Stunden durchführen. Wie gehabt – beim Sport, bei der Hausarbeit, beim alltäglichen Wahnsinn eben… Außerdem kannst du – wenn es dir z.B. zu easy erscheint – Größe und Gewicht variieren.
Tipp #1: Verwende ab und an spezielle Toy Cleaner. Diese reduzieren Gerüche und wirken desinfizierend. Eine antibakterielle Reinigung vermeidet Infektionen. Octenisept, Sagrotan udg sind keine geeigneten Reinigungsmittel.
Tipp #2: Machst du regelmäßig Pilates, Yoga, Reitest oder bist von Natur aus mit einem guten, starken Beckenboden gesegnet, werden Liebeskugeln vielleicht nicht den gewünschten / erhofften Effekt bringen. Hier könnten Sets mit höheren Gewichten helfen. Es gibt aber auch elektrische Beckenbodentrainer, die zwar teurer sind, aber definitiv viel mehr Power haben.
Fazit
Der Ruf als verruchtes und sündiges Sextoy ist längst passe. Liebeskugeln sind ein wahres Wundermittel und ein unkompliziertes, effektives Alltags-Trainingsgerät ohne großen Zeitaufwand.
Wusstest du das alles schon oder war etwas Neues für dich dabei? Hast du bereits Bekanntschaft mit deinem Beckenboden gemacht? Vielleicht sogar durch Liebeskugeln? Hast du möglicherweise noch brauchbare Tipps?
Wie oft sollte der Beckenboden trainiert werden?
„1x pro Woche joggen? Kein Problem! Wenn du 5x pro Woche Beckenboden-Training einbaust…“
Hebamme zur werdenden Mutter
Mit diesem Satz dürfte klar sein, dass auch die Antwort auf diese Frage von verschiedenen Faktoren abhängt. Da Männer weder die Strapazen noch die körperliche Herausforderung der Schwangerschaft und Geburt durchmachen, wird sich das Training von Männlein und Weiblein unterscheiden. Auch Schwimmer und Läufer haben unterschiedliche Ausgangsituationen.
Eine generelle Empfehlung: Beckenboden-Training schadet nicht. Niemandem. Der Aufwand für das Training haltet sich in Grenzen und du bist zeitlich und örtlich ungebunden. Nach dem Aufwachen, vorm Schlafen gehen, beim Warten in der Schlange, im Flugzeug,… usw. Mit 1-2 Trainingseinheiten / Tag bist du schon vorne dabei. Auch während einer Schwangerschaft ist das Training möglich.
Vorsorge ist besser als Nachsorge
Wie bei jedem Muskel gilt: nur regelmäßiges Training kann einen Muskel dauerhaft fit und gesund halten und eine Schwäche vermeiden.
Dauer & Resultate
Anfangs sicher länger, dann immer „schneller“. Wenn du dich an meinen roten Faden hälst, brauchst du vermutlich nicht länger als 10-15 Minuten / Training. Neben diesem – im Verhältnis wirklich – geringen Zeitaufwand, ist es ratsam, dieses „einfach An- und Entspannen“ so oft wie möglich im Alltag auszuführen…beim Liftfahren (haha, gleich doppelt gemoppelt), beim Warten an der Kassa, beim Zähneputzen, nach jedem Toilettengang,…
Wann genau du eine Veränderung bemerkst, lässt sich leider nicht sagen. Je nach Trainingsziel und Intensität. Erfahrungstechnisch sind aber mehrere Wochen Training für spürbare Ergebnisse notwendig. Vor allem um großen Belastungen wie z.B. Niesen standhalten zu können, benötigtes konsequentes Training.
Was bringts?
Ein starker, trainierte Beckenboden…
- Schützt vor Inkontinenz (nicht nur im Alter)
- Hilft bei Rückbildungsprozessen nach der Geburt
- Unterstützt den aufrechten Gang – dein Gang wird sinnlicher, geschmeidiger
- Lindert und befreit von Rückenschmerzen und hält die Lendenwirbelsäule gesund
- Intensiviert Orgasmen
- Steigert die Durchblutung der Sexualorgane und somit die Lust (konkret heißt das: mehr Lust auf Sex)
- Wirkt positiv bei Arthrose
- Korrigiert Fehlstellungen der Beinachsen und der Füße von innen heraus
- Reiterhosen werden schlanker
- Verbessert dein gesamtes Körpergefühl
- Befreit dich von Hüftgelenksschmerzen
- Ist die Grundlage für einen knackigen, runden Po, einen flachen Bauch und schöne, gerade Beine
- Trägt und hält deine Organe an Ort und Stelle, stützt und schützt sie
Grenzen des Beckenboden-Trainings
Muskuläre Schwächen, untrainierte oder in Mitleidenschaft gezogene Beckenboden-Muskeln lassen sich mit meinem roten Faden wunderbar trainieren. Schwieriger wird’s bei neurologischen Störungen, also Erkrankungen des Nervensystems. An diesem Punkt wird das herkömmliche Beckenboden-Training vermutlich nicht mehr ausreichen (Reizstrom & Biofeedback mit EMS-Geräten).
Hier mehr zum muskulären Netzwerk:
Ich bin Personal Fitness Trainerin, Groupfitnessinstructor, Skilehrerin, Bloggerin und liebe es, bewegt durchs Leben zu gehen. Ich bin neugierig, lerne gerne dazu und gebe mein Wissen und meine Erfahrung gerne weiter – genau das war auch der Startschuss für meinen Fitness Food & Lifestyle Blog. Schau dich hier ruhig in Ruhe um, berichte mir von deinen Erfahrungen, weis mich auf Fehlerteufel hin oder hinterlass mir gerne einen Kommentar.